Sie...(Mehrzahl)

Sie kennen das Mitglied seit Jahren.
Sie beobachten es, wenn es sich ohne seinen Ehepartner, in die letzte Reihe quetscht. Es fällt nicht auf, es übernimmt nur wenige Dienste in der Gemeinde. Es sieht müde aus, zerstreut, oft abwesend in Gedanken, unter Anspannung. Anfangs wirkte es freundlich, aufgeschlossen, manchmal sogar humorvoll, doch jetzt? Im Laufe der Jahre hat es sich verändert. Auf die Frage, wie es geht, kommt die kurze Antwort, gut.

Sie wundern sich.
Irgendetwas stimmt nicht, was könnte es sein?
Sollen sie fragen?
Doch werden sie eine Antwort bekommen?
Unsicherheit.

Die gemeinsamen Kinder wirken fröhlich, scheinen sich in der Gemeinde sehr wohl zu fühlen, machen gerne beim Kindergottesdienst mit. Sie wirken wie normale Kinder.

Der Ehepartner engagiert sich immer mehr in der Gemeinde. Er übernimmt viele Tätigkeiten. Er ist überall zunehmend präsent. Er integriert sich immer mehr.
Bald ist ohne ihn der Gemeindealltag gar nicht mehr auszudenken.

Nachdenklich macht sie, dass, je mehr er sich engagiert, desto mehr zieht sich das Mitglied zurück. Sie merken, dass beide nicht an einem Strang ziehen. Die Blicke zwischen den beiden sind nicht liebevoll, eher ängstlich, angespannt, bedrückend, belastet.

Sollen sie fragen? Erneut die Frage.
Dürfen sie sich einmischen?
Was werden sie als Antwort bekommen, wenn sie es tun?

Unsicherheit!

Sie wissen von ihren eigenen Ehen, dass es Krisenzeiten gibt. Die gehen vorüber. Oder nicht?

Was, wenn nicht?

Die Entscheidung wird ihnen abgenommen, der Ehepartner fängt an zu reden.
Er schildert seine Situation. Er leidet. Er hält es nicht mehr aus. Er hält es zu Hause nicht mehr aus. Das Mitglied ist schuld daran. Er kann mit ihm nicht mehr reden. Alle seine Versuche sind gescheitert, die Ehe in Ordnung zu bringen. Er kann deswegen seinen Beruf nicht mehr richtig ausüben. Er ist deswegen sogar krank geworden. Er braucht dringend jemanden, der ihn versteht.
Er kennt die Bibel in- und auswendig. Deswegen weiß er genau, dass das Mitglied sich ändern muss. Dringend. Es gibt doch im Buch Epheser z.B. genaue Anweisungen, wie der Partner zu sein hat. Was ist so schwierig, dieses in die Tat umzusetzen? Er hat die Pflicht, als Christ, darauf zu achten, dass es zu Hause genauso gemacht wird. Klare Regeln.

Sie investieren Zeit in den Ehepartner. Immer wieder kommt er in die Seelsorge, in die Gemeinde, oder telefoniert mit ihnen. Er beschäftigt sie. Er ist autoritär. Doch er leidet ja selber. Sicher manche Aussagen kommen ihnen seltsam vor, doch sie werden ja biblisch begründet.
Sie müssen sich kümmern, aber wie?

Unsicherheit?
Sollen sie das?

Gute Seelsorger sind gefragt, wer kann diesen Dienst machen?

Es gehen Jahre ins Land.
Wie schnell die Zeit vergeht!

Sie haben sich daran gewöhnt, dass der Ehepartner immer wieder neben seinen Diensten, Zeiten für Gespräche nutzt...

dann...

die Nachricht...

das Mitglied ist aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen.

''Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.'' Gal. 6,2

Claudia Neugebauer