Die Christen der orthodoxen Kirche beginnen die Feier ihrer Liturgie jeden Sonntag mit obigem Text. Die Seligpreisungen werden den Gläubigen in feierlichem Gesang vorgetragen. Sie klingen weiter wie ein inneres Lied, das den Christen bei der Suche nach dem Glück helfen will; denn es heißt immer wieder: Selig - oder glücklich - der Mensch...
a, so möchte ich sagen, glücklich und selig der Mensch, welcher die Seligpreisungen verinnerlicht hat.
Die Seligpreisungen regen meine Phantasie an, sie motivieren mich, lassen mich innehalten und über mich und mein Leben nachdenken, ja und es gibt Zeiten, da machen sie mich auch wagemutig und tapfer.
Die Seligpreisungen sind offen und kreativ – in gewissem Sinne sogar so etwas wie eine Utopie. Denn es ist noch längst nicht alles Wirklichkeit, was da gesagt wird. Gleichzeitig aber müssen wir zugeben, dass eigentlich jeder Mensch Sehnsucht danach hat, dass die Seligpreisungen sich erfüllen:
- dass die Armen vor Gott ihre Würde und ihr Recht bekommen,
- dass die Trauernden wieder froh werden,
- dass die Barmherzigen nicht immer die Dummen sind,
- dass die Friedenstifter nicht für weltfremd gehalten werden.
Ich denke mal, es geht Ihnen ähnlich wie mir: ich finde in diesen Seligpreisungen immer wieder eine ganz bestimmte Stelle, eine Seligpreisung, die besonders auf mich zutrifft, eine Stelle, die mich anspricht und innerlich berührt, eione Stelle, bei der ich aus meiner Erfahrung heraus mitreden kann, eine Stelle, die genau auf mich zugeschnitten ist. Dem einen geht es so mit dem Friedenstiften, dem anderen mit dem Trösten, einem Dritten mit dem Verändern der Welt ohne Gewalt.
Es ist, so finde ich, wichtig, dass wir unseren persönlichen Zugang zu diesen Seligpreisungen finden, sie verinnerlichen, sie wirklich im Herzen tragen. Wenn wir sie nur hören und sie nur als Anforderungen sehen, ja, dann könnten wir uns total überfordert fühlen und gleich resignieren. Und wahrscheinlich würden wir dann nach Gründen suchen, diese Seligpreisungen zu relativieren und z.B. einwenden: Und was haben die Gewaltlosen in diesem oder jenem Land ausgerichtet? Oder: Was soll die Seligpreisung der Armen? Ist es denn so eine tolle Sache arm zu sein? Ist es vielleicht Vorbedingung für das Christsein, arm zu sein wie eine KLirchenmaus?
Nein, so denkle ich, das ist es nicht. Denn gerade bei diesem Wort vom Arm sein wird etwas gesagt, was man nicht überhören darf, sonst wird alles ärgerlich und untragbar. Es wird nämlich gesagt: ''Selig, die arm sind vor Gott.'' Dieses Vor-Gott-Arm-Sein verändert alles. Da sind dann die Seligpreisungen nicht mehr nur schöne menschliche Ideale, die den Menschen aber total überfordern, sondern sie sind lebensnotwendige Aufgaben, die mit einem langen Atem in der Kraft Gottes getan werden.
Ja, liebe Mitchristen, das ist auch mir klar: die Seligpreisungen sind kein leichter Maßstab für unser Leben als Christen. Es gilt für sie, was Blaise Pascal einmal sagte: ''Die Heilige Schrift enthält Stellen, die geeignet sind, in jeder Situation Trost zu spenden, und sie enthält Stellen, die in jeder Situation Angst einflößen können.'' Die Seligpreisungen bewirken bei mir beides: Sie schenken mir Trost und machen mir doch zugleich auch Angst, wegen der hohen Anforderungen. Aber gerade diese Spannung macht lebendig und lässt mich immer wieder aufhorchen.