Wir können die Sehnsucht des Gottesvolkes nach Recht und Gerechtigkeit, nach Versöhnung und Frieden gut verstehen, denn es ist auch unsere Sehnsucht. Auch wir sehnen uns nach einer Welt, in der Kinder nicht mehr entführt oder missbraucht werden, in der es keine Feindschaft, keinen Krieg und keinen Terrorismus, keinen Nationalismus und keinen Fremdenhass mehr gibt und Menschen nicht mehr durch Mobbing zugrunde gerichtet werden oder sich der eine auf Kosten des anderen durchsetzt. Ja, auch wir sehnen uns nach einer heilen Welt.
Und genau zu den Menschen mit dieser Sehnsucht spricht der Prophet Jesaja. Gott greift machtvoll ein durch seinen Gesandten, den Messias. Er schenkt einen neuen Anfang, der wieder dort seinen Ausgang nimmt, von wo das Königtum Israels schon einmal herkam: Aus dem unbedeutenden Haus Isais, dem David entstammte, kommt der Messias.
Im Gegensatz zu den auf irdische Gewalt und Macht gründenden Reichen geschieht seine Herrschaft in der Kraft des Geistes Gottes, der auf ihm ruhen, bei ihm sein, ihn erfüllen, leiten und bestimmen wird. Es ist ein Geist der Gotteserkenntnis und der Gottesfurcht. Gotteserkenntnis heißt, mit Gott in liebender Gemeinschaft leben. Und damit eng verbunden ist die Gottesfurcht. Sie achtet Gott als höchsten Herrn und trachtet allein nach der Erfüllung seines heiligen Willens. In der Kraft dieses Geistes geschieht das Wirken des Messias. Er wird Recht und Gerechtigkeit für alle bringen, besonders für die bisher Rechtlosen, Armen, Ausgeschlossenen und Elenden. Gewalttat und Gottlosigkeit haben keinen Bestand mehr und alle Feindschaft wird einer friedlichen und friedvollen Gemeinschaft.
Dieses Bild deckt die tiefste und eigentliche Ursache für fehlende Gotteserkenntnis und Gottesfurcht auf – und genau daraus erwachen Gewalttätigkeit, Rechthaberei, Rechtsbeugung und Rechtlosigkeit, Misstrauen und Feindschaft, Verantwortungslosigkeit, Lieblosigkeit und Heillosigkeit. Dieses Bild ist gleichzeitig aber auch ein Bild dafür, wie Gott die Welt haben will, wie sie sein soll. Eine Welt, in der Gott selbst wohnt und in der er als der Herr geehrt wird. Eine Welt der Gerechtigkeit und des Friedens in umfassendstem Sinn. Dieses Bild hält die Sehnsucht der Menschen nach dem Kommen Gottes wach. Sie sollen sich gerade nicht mit dem jetzigen Zustand der Welt abfinden. Oder sich gar mit ihr arrangieren. Denn wir haben es hier mit mehr als einem Bild zu tun. Es ist die konkrete Zusage Gottes dieser neuen Wirklichkeit, die er selbst schaffen wird. Es gilt, dieser seiner Zusage zu vertrauen und ihrer Erfüllung entgegenzuhoffen. Und der, in dem sich diese Zusage erfüllt hat, er ist an Weihnachten im Stall zu Bethlehem Mensch geworden und am Kreuz von Golgotha für uns gestorben.