In der letzten Woche brachte mich ein Ereignis zum Nachdenken. Ich saß auf dem Balkon und bereitete meinen Unterricht vor. Alles war still, kein Mensch weit und breit. Da kam eine ältere Dame um die Hausecke bei dem Haus gegenüber. Sie kam mir nicht bekannt vor. Okay, es stand ein Rollator in dem Hauseingang gegenüber, der sonst nicht da stand. Gehörte ihr der? Sie ging weiter. Sie hielt einen Hund unterm Arm. Echt oder Stofftier? Man musste zwei mal hinschauen. Er war unecht. Ich sah wieder auf meine Blätter und Unterlagen. Auf einmal hörte ich ''Hilfe, Hilfe'', sah auf und die Frau saß auf der Bank. Mein Gedanke: Runter und helfen. Der Mann von einem Ehepaar war schon unten. Mein nächster Gedanke: AWO oder Seniorenzentrum anrufen. Telefonbuch geholt, gesucht, angerufen bei beiden - keiner nahm ab. Es war schon nach 17 Uhr und das Büro nicht mehr besetzt. Mein Freund fuhr mit dem Wagen zu den Stellen. Die suchten schon längst. Dank unserer Info machten sich die nächsten zwei Schwestern auf den Weg. Ich sollte mit der Dame ihnen entgegenkommen. In der Zwischenzeit hatte ich eine Bekannte angerufen, die bei der AWO gearbeitet hatte und mir mit einem Rat weiterhelfen könnte. Sie kannte die Dame und kam mir auch entgegen. Auf halbem Wege kamen die zwei Schwestern und die Sucher, von denen wir nichts wussten, mir entgegen. Die Leiterin der AWO kam mit dem Auto und sie brachten die Dame heil und gesund wieder ins Heim. Die Dame nahm vertrauensvoll meinen Arm und hakte sich ein. Sie erzählte mir von ihrer Familie und ihrem Hund. Er wäre so lieb. Sie vertraute mir, als ich sagte. dass wir über die Straße gehen müssten. Es war eine freundliche, nette Atmosphäre und eine gewisse Nähe vorhanden, obwohl man sich nicht kannte. Ein Schimpfen mit der Demenzkranken wäre nicht gut gewesen, denn sie sah selber ein, dass sie wohl das Auto fahren sein lassen sollte. Ansonsten könne sie noch alles alleine.
Dieses Erlebnis erinnerte mich an den Vers: Meine Schafe hören meine Stimme und sie folgen mir. Die Dame war allein und sah bzw. hörte keinen. Sie rief um Hilfe. Sie vertraute dann dem Mann, der sie von der Bank zu uns auf das Gelände holte. Seine Frau organisierte einen Stuhl. Die Demente zögerte keine Augenblick und nahm die Hilfe an. Auch folgte sie später meiner Stimme, als ich mit ihr Richtung Heim ging. Ob sie noch wusste, dass sie um Hilfe gerufen hatte, weiß ich nicht. Mit den Schwestern stieg sie vertrauensvoll ins Auto.
Hören wir immer auf seine Stimme, wenn es uns gut geht. Oder hören wir erst auf seine Stimme und lassen uns führen, wenn wir um Hilfe rufen, wenn wir partout nicht mehr weiter wissen. Wenn der Karren tief im Dreck steckt. Wo beginnt das vertrauensvolle Fallen lassen in seine Hand mit dem ohnmächtigen Gefühl: Er kann es nur noch richten und wieder gerade lenken. Ganz oft wollen wir doch nach unseren Plänen leben und handeln, weil uns seine Richtung nicht gefällt. Genau wie Jona. Gott schickte bei ihm einen großen Fisch und er findet einen Weg, uns zurückzuholen. Aber: er lässt uns auch erst in den Dreck rennen, damit wir steckenbleiben müssen. Der eine merkt es eher, der andere später. Ich habe noch Kontakt zu meinen abgegebenen Schülern. Sie fragen mich, woher ich wüsste, was nun so in Klasse 5 läuft. All das, was ich ''vorhergesagt'' hätte, wäre eingetroffen. Einige haben schon so ihre Erfahrungen mit dem freiwilligen Vokabeln lernen gemacht und auch was das Verhalten angeht. Wir haben hier auf der irdischen Welt unsere Träume und Vorstellungen. Ob die gut sind für uns, wissen wir nicht. ER macht es uns schon klar, was er für uns vorbereitet hat, wenn auch mit Umwegen unsererseits. Die Dame entwickelte eine Kraft in den Beinen, mit denen keiner gerechnet hätte. So weit war sie noch nie weggelaufen. Wir können auch gute Kräfte entwickeln, wenn wir etwas unbedingt wollen. Nur, woher kommen die Kräfte?
Unsere Zweifel, unser „Besserwissertum“ und der Dickkopf stehen uns ganz schön oft im Weg und hindern uns daran, den klaren Blick zu behalten. Wie durch eine „neblige“ Brille sehen wir nur unsren Weg, unsere Vorstellungen und unsere Wünsche, die sich gefälligst erfüllen sollen. Doch wer Brillenträger ist, weiß, dass eine neblige Brille den Blick gut trüben kann. Zudem nervt irgendwann das Neblige oder der blinde Fleck und man putzt die Gläser, d.h. zu Gott gehen und wieder mal bereinigen. Wir können Gott nur für seine geduldige Liebe danken. Laut Duden ist ein Hort ein Ort, eineInstitution oder eine Person, die einem Bedürftigen, Schwachen oder einem geistigen Gut einen besonderen Schutz gewährt. Jesus will der gute Hirte in dem Hort sein.
In der Bibel steht auch: Seit wie die Kinder. Die Dame ging wie ein Kind an meinem Arm und ging mit mir. Sie fragte zwar nach: ach müssen wir jetzt über die Straße, aber , sie vertraute mir, dass ich den Weg wusste und sie wieder dadurch nach Hause kam. Sie fühlte sich sicher und geborgen. So soll es auch zwischen Gott und uns sein. Eine sichere, vertrauensvolle, geborgene Beziehung. Unser Ziel ist es, nach hause zu kommen, bei ihm zu sein. Hier auf der Erde bedeutet das: ihm nahe zu sein und auf seine Stimme zu hören, seine Wegweiser beachten. Später werden wir dadurch bei ihm zu Hause sein.
Ich wünsche dir den Mut und die Kraft auf seine Stimme zu hören und ihr zu folgen.
(P.S.: Seit dem Vorfall hängen drei Rufnummern bei uns im Treppenflur, damit man notfalls jemanden verständigen kann.) Was ist deine Notrufnummer?