Das Verhältnis der Israeliten zu ihrem Gott war nicht unkompliziert. Gott musste sich immer wieder über sein Volk ärgern, und die Israeliten sahen oft nicht ein, warum sie tun sollten, was Gott von ihnen verlangte. Erschwerend kam hinzu, dass Gott nicht persönlich mit ihnen sprach, sondern durch Mose. Der war sozusagen per Du mit Gott, redete mit ihm wie mit einem Freund. Aber wenn er dann eine Botschaft von Gott überbrachte, hatte er stets nur Aufträge und Ge- und Verbote im Gepäck. Und jetzt war er schon länger im Gespräch mit Gott. Gefiel es ihm etwa so gut auf dem Berg, dass er sich dort oben häuslich niedergelassen und das Volk vergessen hatte? Oder war er womöglich umgekommen?
Und so kommt es, wie es kommen musste: das Volk ist des Wartens müde – und es ist auch eines Gottes müde, den es nur vom Hörensagen kennt. Das Volk will einen Gott, den man sehen und anfassen kann, etwas Handfestes, etwas, was man nicht nur glauben muss.
Der Wunsch der Israeliten nach einem greifbaren Gott ist nur allzu verständlich, denn auch ich kenne diesen Wunsch. Auch ich möchte Gott irgendwie „realer“, „handfester“, „greifbarer“ haben.
Auch ich kenne Gott nur vom Hörensagen – durch Eltern und Großeltern, durch kirchliche Mitarbeiter, durch die Bibel. Und deshalb kenne ich auch diese Zweifel – und ich kenne die Gefahr, mir meine „Goldenen Kälber“ zu errichten, die ich dann an Gottes statt aufstelle, damit ich Orientierung habe in meinem Leben, in dem Träume und Märchen keinen Platz haben.
Aber ich weiß auch nur zu genau, dass alle diese „Ersatzgötter“ mir keine Garantie für ein gelingendes Leben geben können. Macht, Geld, Ruhm, Sport, Karriere und wie sie alle heißen – keiner dieser Ersatzgötter kann das tun, was mein Gott kann: mich segnen, mich begleiten, mich schützen und dafür sorgen, dass mein Leben gelingt!
Wie sieht dein ''Goldenes Kalb'' aus?