Wo Gnade herrscht, sollte die Sünde immer eine untergeordnete Rolle spielen. Ganz aus dem Spiel nehmen können wir sie in dieser Welt, und in diesem ureigenen Körper leider nicht. Wäre die Sünde aber dominierend, also stets über die Maßen präsent, und könnte bei uns stets mit Leichtigkeit aus dem Ärmel geschüttelt werden, müsste man tatsächlich wie Paulus rhetorisch fragen: ''Sollen wir in der Sünde verharren, damit das Maß der Gnade voll werde?...''? Eine rhetorische Frage bedingt keine Antwort. Sie ist die Antwort selbst, die als überflüssige Frage formuliert ist. Christen leben in Wahrheit und Existenz - also in der Gnade und nicht in der Sünde. Gnade ist stärker als Sünde. Und das ist keine Frage der Umstände, der Gefühle oder der frommen Theorie, sondern ist im Himmel versiegelt und absolute Realität - über alles eigene Verstehen hinaus. Darum konnte Paulus auch verwundert fragen (und sich dabei sicherlich ebenso meinen), ob man als Erlöster etwa so tun sollte, als sei man nicht erlöst. Und entsprechend das, was einen bisher von Gott trennte und einem vergeben ist, weiterhin mit viel intensiver Aufmerksamkeit zu bedienen? Das wäre ja irgendwie so, als ob man einer Leiche permanent versucht künstlich wieder Leben einzuhauchen. Paulus schreibt in Römer 6, 11-14: ''Also auch ihr: Haltet euch selbst dafür, daß ihr für die Sünde tot seid, aber für Gott lebt in Christus Jesus, unserem Herrn! So soll nun die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leib, damit ihr [der Sünde] nicht durch die Begierden [des Leibes] gehorcht; gebt auch nicht eure Glieder der Sünde hin als Werkzeuge der Ungerechtigkeit, sondern gebt euch selbst Gott hin als solche, die lebendig geworden sind aus den Toten, und eure Glieder Gott als Werkzeuge der Gerechtigkeit! Denn die Sünde wird nicht herrschen über euch, weil ihr nicht unter dem Gesetz seid, sondern unter der Gnade''.
Das ist nun eine Sache des (praktischen) Glaubens, denn wir sehen es ja nicht unbedingt, daß wir der Sünde gestorben sind. Wir sehen eher die Sünde. Aber darum geht es eben - im Glauben das praktisch auszuleben, was vor Gott geschehen ist in meinem Leben: Die Vergebung meiner Sünden! Uns sind die Sünden vergeben - gestern, heute und auch morgen! Möglich ist, daß man diese immense Gnade nun tatsächlich so ausnutzen könnte, daß man erst recht frech und frei sündigt, so wie einem gerade danach ist (eher zu oft). Der Teufel fördert so eine Einstellung. Manche Mitchristen sagen dann leider, daß ein von neuem geborener Gläubiger vom erlösenden Glauben wieder abfallen kann bei entsprechendem Verhalten. Wer könnte dann noch Gnade finden? Man kann von rechts oder von links vom Pferd fallen. Die Erlösung ist Gottes Ehre und sein souveränes und ewiges Werk. Niemand kann das ändern - weder Tod noch Teufel noch der Mensch. Dennoch steht der Glauben davor. Aber die unermessliche Gnade Gottes (wahrnehmbar durch den geschenkten Glauben im Heiligen Geist), billig zu achten und in der Sünde zu beharren (sich fahrlässig darin zu baden) wäre sehr verkehrt, dumm und erbärmlich. Es würde wohl dennoch funktionieren, aber auf der Strecke bleiben würden die Wahrhaftigkeit, die Würde, der Lohn, der Respekt, die Gebetserhörungen und die Liebe. Sollten wir das wollen? Demnach gilt vor allem das, was Paulus in Römer 8, 14-16 geschrieben hat: ''Denn alle, die durch den Geist Gottes geleitet werden, die sind Söhne Gottes. Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, daß ihr euch wiederum fürchten müsstet, sondern ihr habt den Geist der Sohnschaft empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater! Der Geist selbst gibt Zeugnis zusammen mit unserem Geist, daß wir Gottes Kinder sind''. Amen.