Prediger 1,1-7
Worte Kohelets, des Davidsohnes, der König in Jerusalem war. Windhauch, Windhauch, sagte Kohelet, Windhauch, Windhauch, das ist alles Windhauch. Welchen Vorteil hat der Mensch von all seinem Besitz, für den er sich anstrengt unter der Sonne? Eine Generation geht, eine andere kommt. Die Erde steht in Ewigkeit. Die Sonne, die aufging und wieder unterging, atemlos jagt sie zurück an den Ort, wo sie wieder aufgeht. Er weht nach Süden, dreht nach Norden, dreht, dreht, weht, der Wind. Weil er sich immerzu dreht, kehrt er zurück, der Wind. Alle Flüsse fließen ins Meer, das Meer wird nicht voll. Zu dem Ort, wo die Flüsse entspringen, kehren sie zurück, um wieder zu entspringen.
Man wird geboren, und eines Tages stirbt man wieder. Wozu ist man eigentlich da?'' Der Tod, so ist sein Gefühl, macht das ganze Leben sinnlos. Wozu überhaupt geboren werden, wenn man doch wieder sterben muss? Menschen sagen: ''Am liebsten wäre mir, ich wäre überhaupt nicht geboren, dann müsste ich auch nicht sterben.'' Wozu sind wir da, wenn doch der Tod unserem Leben ein Ende macht? Eine Erklärung findet sich im Buch Prediger.
Der Text beginnt mit einer Feststellung: Windhauch, das ist alles Windhauch..., alles ist flüchtig, vergänglich, nichts bleibt.'' Man kann zu dem Schluss kommen: ''Weil alles flüchtig und vergänglich ist, darum ist alles sinnlos.'' So kann man sein eigenes Leben und das ganze Weltgeschehen sehen und deuten. Man kann es auch anders sehen. Seine Leitfrage lautet: Welchen Gewinn hat der Mensch von all seinem Besitz, für den er sich anstrengt unter der Sonne? ''Gewinn'' ist ein Ausdruck aus der Kaufmannssprache. Der Kaufmann führt Buch über Einnahmen und Ausgaben und zieht Bilanz: Was bleibt übrig? Was ist der Gewinn? Was bleibt als Ertrag von aller Mühe, die sich ein Mensch im Laufe seines Lebens macht, was ist der Sinn? Viele träumen ein Leben ohne Mühe. Es dürfte kein Geld mehr geben, dann wäre keiner mehr reich und keiner mehr arm. Er könnte von morgens bis abends etwas Schönes mit seiner Zeit anfangen. Sein Traum von einem mühelosen Leben lässt sich durchaus als Antwort auf die Frage nach dem Sinn verstehen. Die Antwort: Der Gewinn des Lebens ist das, was über Arbeit und Mühe hinausgeht. Es ist das, was Freude macht, freie Zeit, die mit schönen Erlebnissen gefüllt wird. Doch unter welchen Bedingungen läuft unser Leben ab? Eine Generation geht, eine andere kommt. Die Erde steht in Ewigkeit. Die Sonne, die aufgeht und wieder unterging. Der Wind weht nach Süden und nach Norden. Alle Flüsse fließen ins Meer, das Meer wird nicht voll. Zu dem Ort, wo die Flüsse entspringen, kehren sie zurück, um wieder zu entspringen. Er stellt fest: wir Menschen kommen und gehen, die Erde aber steht in Ewigkeit. Erde, Sonne, Wind und Wasser - das sind die vier Elemente. Der Kosmos ist eingebettet in eine feste ewige Ordnung. Das zeigt der Text anhand der vier Elemente: Die Erde steht in Ewigkeit. Die Sonne geht auf und wieder unter, schnell jagt sie an den Ort zurück, wo sie wieder aufgeht. Damals stellte man sich die Erde als eine feststehende Scheibe vor. Über diese Scheibe wölbt sich wie eine Käseglocke der Himmel. Am Himmel entlang gleitet die Sonne. In der Nacht geht die Sonne unterhalb der Scheibe wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurück. Eine Furcht der damaligen Menschheit bestand darin, die Sonne könnte sich für immer verfinstern oder nach ihrem Untergang verschwinden. Der Text sagt zur Beruhigung: ''Nein, die Sonne verfinstert sich nicht, sondern atemlos jagt sie wieder an ihren Ort.'' Auch bei der Betrachtung des Wasserlaufes verwendet Kohelet ein Bild, das die Angst bannen soll. Eine weit verbreitete Furcht der Menschen damals war, das Meer würde eines Tages voll sein, über die Ufer treten und die Erde überschwemmen. So beschreibt er einen ewigen Kreislauf innerhalb einer fest gefügten Ordnung. Dies hat für ihn und die Menschen seiner Zeit etwas sehr Tröstliches. Es ist gut zu wissen, dass der gesamte Kosmos eine Ordnung und damit auch einen Sinn hat. Das Auf- und Untergehen der Sonne hat seinen Sinn, die Bewegungen des Windes und des Wassers, alles hat seine Ordnung und seinen Sinn. In diese sinnvolle Ordnung ist der Mensch eingebettet.
Teil 2 folgt morgen