Wie gehen wir mit Verletzungen um?
Mit dieser Frage wurde ich in letzter Zeit sehr oft konfrontiert. Mit Verletzungen ist gemeint, dass ein Mensch uns durch Worte, Taten, Gedanken, seiner Haltung und Einstellung körperliches und / oder seelisches Leid zufügt. Stellen wir uns der Frage: Wie kann es kommen, dass solche Verletzungen überhaupt Auswirkungen haben können?
Sehr oft hängt es mit unserem Lebensstandard zusammen. Wir haben unsere Vorstellung, wie wir behandelt werden möchten. Diese Vorstellung machen wir zu unserem Lebensstandard. Oft ist dieser Standard sehr hoch angesetzt. Wir wollen freundlich, liebevoll behandelt werden. Wir wünschen, dass wir gelobt werden, gleichzeitig wünschen wir uns eine „nötige Distanz“ von seitens Unbekannter, und vieles mehr. Jeder sollte sich einmal überlegen, wie seine Liste momentan gerade aussieht. Solange sich alle daran halten ist alles in Ordnung. Und darüber vergessen wir sogar sehr oft, dankbar zu sein für alle, die uns so behandeln, wie wir das wünschen. Doch sobald dieser Standard nicht mehr eingehalten wird, sobald uns jemand zu nahe tritt, fühlen wir uns verletzt. Wir denken, dass wir das Recht haben zur Unversöhnlichkeit in solchen Fällen und wenn wir vergeben, so sei dies ein grosses Geschenk von unserer Seite her.
Die Bibel sieht das etwas anders. Jesus sagte in diesem Zusammenhang: Ein Knecht ist nicht grösser als sein Herr. Wie ging Jesus mit solchen Fällen um? Ueber ihn lesen wir, dass er zur Schlachtbank geführt wurde, ohne dass er sich rechtfertigte. Er liess sich verspotten, anspucken, auspeitschen und zu guter Letzt ans Kreuz nageln, ohne dass ein Wort des Zornes gegen diese Menschen über seine Lippen kam. Im Gegenteil: Reines Mitleid hatte er mit den Menschen, die ihn derart schlecht behandelten! Sein Kommentar dazu: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun“. Haben wir auch ein solches Mitleid mit unseren Peinigern oder versuchen wir uns nur zu rechtfertigen indem wir uns sagen, dass wir nicht perfekt seien?
Stephanus wusste um seine Stellung als Knecht Jesu Christi. Seine Worte bezeugen dies. Als er gesteinigt wurde, rief er aus: „Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu“. Stephanus war keinesfalls ein Uebermensch. Er war nicht anders als wir alle. Doch er hat verstanden worum es geht: Ein Knecht ist nicht grösser als sein Herr, noch ein Gesandter grösser, als der ihn gesandt hat. Wir sind Knechte Jesu, wenn wir Ihm unser Leben ausgeliefert haben. Doch wir müssen lernen die Folgen dieser Entscheidung zu tragen. Das heisst: Erkennen, dass jeder Mensch, der uns besser behandelt als Jesus behandelt wurde, ein reines Gnadengeschenk ist, für das wir danken dürfen. Lasst uns begreifen, von welchem Lebensstandard wir als Knechte Christi ausgehen sollen: Von demjenigen unseres Herrn!