Die Ermahnungen im Neuen Testament sind nur für den neuen Menschen gedacht, der eine Neue Schöpfung ist (2. Kor. 5, 17). Nur bei ihm bewirken sie das Richtige, stoßen die notwendige Kettenreaktion an. Sie sind nicht direkt in der Wirkung, sondern vielmehr indirekt. Ermahnungen sind ja auch im weiteren Sinne Gebote, und der Römerbrief lehrt uns, daß wir nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind. Also, wieso kommt das Neue Testament wiederum mit Geboten zu uns, den Erretteten? Dieser Frage wollen wir hier einmal nachgehen.
Der neue Mensch sündigt nicht, er ist unfähig dazu (1. Johannes 3, 9; es ist das Fleisch das sündigt: 1. Joh. 1, 8, Römer 7). Er befindet sich in dauernder Gemeinschaft mit seinem Herrn (Kolosser 1, 13). Da wir aber einen solchen Schatz in irdenen Gefäßen haben, haben wir diese Tatsache nur im Glauben und nicht im Schauen. Das bedeutet, da der neue Mensch an ein gefallenes „Fleisch“ gekoppelt ist und noch nicht die volle Herrlichkeit Gottes erkennen kann (2. Korinther 3, 18), kann er träge werden und „einschlafen“. So denn muß er immer wieder im Laufe seines Lebens durch den Heiligen Geist auferweckt werden (Philipper 1, 5), da er immer wieder in Schlaf fällt. Siehe Gethsemane, obwohl der Herr selbst bei den Jüngern war, fielen sie in den Schlaf. Der neue Mensch muß aufgeschreckt werden. Er muß aus seinen Träumen geholt werden, daran erinnert werden, wer er ist und was für Verheißungen er zur Verfügung hat! Damit er wach wird und Frucht bringt (Epheser 2, 10).
Das Gebot an sich kann aber gar nicht eingehalten werden, weder vom natürlichen (unbekehrten) Menschen, noch vom Fleisch. Aber auch nicht vom schlafenden neuen Menschen! Hierzu muss er erst erweckt werden. Das kann bedeuten, daß er ganz schön erschrickt, aufschreckt und - wie aus einem trügerischen Traum auffahrend - sich seiner selbst und seines Standes erst wieder bewußt wird: daß er unverdient und aus reiner Gnade (Epheser 2, 8+9) ewig und unverlierbar (1. Petrus 1, 23) vom Tode erlöst wurde, was ein unbegreifliches Wunder und Ausdruck einer überfließenden Liebe zwischen ihm und Gott ist -- so daß er durch die Erinnerung an diese Liebe seiner Bestimmung bewußt wird, Frucht für seinen Herrn und Erretter zu erbringen.
So haben die Ermahnungen eigentlich immer nur aufschreckende, oder neutraler, erweckende Funktion. Dies versetzt den Erweckten wieder in die enge Beziehung zu seinem Herrn, dem er dann „wie von selbst“ (= ohne Gebot!) dienen will und wird, da es seiner Bestimmung und seinem Willen entspricht.
Blickt der Erweckte dann „zurück“ auf die Ermahnung, also quasi auf das Gebot, das ihn erweckt hat, wieder der zu sein, der er ist, so ist sie ihm keine Ermahnung (mehr), sondern sie beschreibt auf wundersame Weise ganz natürlich auf einmal genau das was er ist und was er will. Da er ja hellwach ist, im Geiste dazu nickend und bestätigend, daß dies Gebot eigentlich ganz und gar nur seine Natur beschreibt, wie sie schon immer war, weiß er nun wieder, was Galater 5, 16 („Wandelt im Geist, so werdet ihr die Werke des Fleisches nicht vollbringen...“) bedeutet.