Mit gutem Gewissen, Freundlichkeit, Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit den Menschen allgemein und den Glaubensgeschwistern im speziellen zu begegnen, ist mitunter eine herausfordernde Angelegenheit. Wer beispielsweise mit jemandem im Disput ist und ihm seinen Glauben abspricht, schwebt in großer Gefahr sich zu versündigen und dadurch selbst Schaden zu erleiden. Wir können manches zwar beurteilen und wahrnehmen, aber in Menschen hineinschauen können wir nicht. Wer in seinen Urteilen und ureigenen Erkenntnissen immer davon ausgeht in Stein gemeißelte Aussagen gegenüber anderen Menschen oder im speziellen zu Glaubensgeschwistern zelebrieren zu können, wandelt auf einem sehr schmalen Grad. William McDonald schreibt hierzu in seinem Bibelkommentar folgendes: „Die Juden zur Zeit Jesu wussten, daß Mord von Gott verboten worden war und dass der Mörder seine Strafe empfangen sollte. Das galt schon vor dem Gesetz (1. Mose 9,6) und wurde später ins Gesetz aufgenommen (2. Mose 20,13; 5. Mose 5,17). Mit den Worten »Ich aber sage euch« leitet Jesus einen Zusatz zu diesem Gesetz ein. Man kann nun nicht länger damit prahlen, dass man noch keinen Menschen umgebracht habe. Jesus sagt nun: »In meinem Königreich darfst du noch nicht einmal mörderische Gedanken hegen.« Er verfolgt damit den Mord bis an seine Quelle und warnt dabei vor drei Formen des ungerechten Zorns. Der erste Fall, den Jesus hier anspricht, ist der eines Menschen, der über seinen Bruder grundlos zornig ist. Jemand, der dieses Verbrechens angeklagt werden könnte, läuft also Gefahr, dem Gericht zu verfallen, das heißt, er könnte zur Verantwortung gezogen werden. Die meisten Menschen meinen, sie könnten eigentlich immer einen Grund für ihren Zorn angeben, aber Zorn ist nur dann gerechtfertigt, wenn es um die Ehre Gottes geht oder wenn einem anderen Unrecht geschieht. Zorn ist immer dann falsch, wenn es um die Vergeltung persönlicher Fehler geht.
Eine noch ernst zunehmendere Sünde ist, den Bruder zu beleidigen. In der Zeit Jesu benutzten die Menschen das Wort »Raka« (ein aramäischer Ausdruck, der »der Hohle« bedeutet), um andere Menschen verächtlich zu machen und zu beschimpfen. Wer dieses Wort benutzte, sollte dem Hohen Rat verfallen sein, d. h. er musste sich vor dem Sanhedrin verantworten, dem höchsten Gerichtshof des Landes. Die dritte Form des Zorns, die Jesus verurteilt, ist, jemanden mit »Narr« zu bezeichnen. Hier bedeutet das Wort »Narr« mehr als nur Spaßmacher. Es bezeichnet den – im moralischen Sinn – Narren, dem man das Recht zu leben abspricht, und drückt damit aus, dass man ihm den Tod wünscht. Heute hören wir oft, wie andere Menschen mit den Worten »Gott verdamme dich« verwünscht werden. Jesus sagt, dass der, der einen solchen Fluch ausspricht, in der Gefahr steht, der Hölle des Feuers zu verfallen. Die Leichname von Hingerichteten wurden oft auf einem brennenden Abfallhaufen vor Jerusalem geworfen, der als »Tal Hinnom« oder »Gehenna« bekannt war. Das war ein Hinweis auf die Flammen der Hölle, die niemals ausgelöscht werden können. Man kann die Schärfe dieser Worte gar nicht missverstehen. Er lehrt, dass Zorn der Ursprung des Mordes ist, dass Beschimpfungen ebenfalls in diese Richtung laufen und dass Verfluchungen dem Wunsch nach Mord gleichkommen. Die sich steigernde Reihenfolge der Vergehen zieht eine Steigerung der Strafe nach sich: Gericht, Hoher Rat und höllisches Feuer. In seinem Reich wird Jesus jede Sünde nach ihrer Schwere bestrafen“.
Fortsetzung morgen...