Ich möchte Sie gern mit dieser Andacht zum Gespräch und zum Austausch und zum Nachdenken herausfordern und einladen. Christliche Gemeinden könnten Orte sein (oder werden), wo man konstruktiv mit Konflikten umgeht.
Im christlichen Bereich ist das Klima in letzter Zeit eher rauer geworden. Der Umgangston wurde schärfer und es wird gegeneinander gekämpft – niemand ist davon ausgeschlossen! Paulus erinnert uns daran, dass wir durch die Taufe der Wiedergeburt Kinder Gottes wurden. Die Taufe ist der Grund, aus dem alles hervorgeht, nämlich: „Christliches Reden, christliches Denken, christliches Handeln.“ Paulus nennt gewissermaßen das ABC des Christlichen Lebens, es sind Grundwerte, die das Verhalten eines Christen bestimmen sollen.
1. Wahrhaftigkeit: Durch die heilige Taufe sind wir nicht mehr Heiden, Atheisten, sondern neue Menschen in Christus Jesus, die in einem beständigen Erneuerungsprozess stehen. Und weil wir nun als Christen die Glieder eines Leibes sind, in der Gemeinde Jesu, sollen sich bei uns auch ganz konkrete Veränderungen in der Lebensführung zeigen. Wir sind der Wahrheit des Evangeliums verpflichtet. Wir sind neugeschaffen in der Gerechtigkeit und in der Wahrheit Gottes. Und zu diesem neuen Leben kann und darf es keine Lüge mehr geben. Der Christ hat den von der Lüge geprägten Lebensstil abgelegt und unterlässt Unrichtigkeiten, üble Nachrede, Verleumdung! Aber er lässt nicht nur das Lügen, sondern praktiziert stattdessen ein anderes (geheiligten) Verhalten. Das ist wichtig für die biblische Heiligung! Daran müssen wir täglich arbeiten und täglich Buße tun. Immer wieder geloben wir Reue und immer wieder sündigen wir aufs Neue. Das bedeutet: An die Stelle der alten Gewohnheiten treten neue. Wo Gott etwas nimmt, gibt er etwas anderes dafür. Wo wir etwas lassen sollen, muss dieses Verhalten durch ein neues ersetzt werden. Anstelle des Lügens gilt nun: Wann immer irgendein Christ mit seinem Nächsten spricht, soll er „die Wahrheit“ reden. In unserem Umgang untereinander soll sich jeder verlassen können, dass das, was der andere sagt, wahr ist. Deshalb brauchen wir immer wieder Buße, Einkehr und Umkehr, weil wir alle Sünder sind und immer wieder sündigen, in Gedanken, Worten und Werken.
Oftmals neigen wir dazu, eine Aussage des Nächsten zu verallgemeinern und damit besteht die große Gefahr, diese als belanglos dazustellen. Sie wird aus dem Zusammenhang gerissen und erscheint so in einem völlig falschen Licht. Sie ist banal und bedeutungslos geworden. Oder: Aussagen des Nächsten werden übertrieben dargestellt, übersteigert und radikalisiert. Dadurch kann man sich gegen sie absetzen und erscheint selber als (angeblich) toleranter, sachlicher und überlegener. Oder: Bewusst zweideutige gemachte Aussagen sorgen dafür, dass man falsch verstanden wird, damit entstehen immer wieder Missverständnisse. Oder: Man erfindet Aussagen, die der Andere „gesagt haben könnte“. Er muss sich rechtfertigen und diesen Verdacht von sich abschütteln, dabei bleibt aber immer etwas haften. Gerüchte werden in die Welt gesetzt, die teilweise wahr sind oder wahr sein könnten. Der andere muss beweisen, dass sie nicht stimmen. Das kostet Zeit und Kraft und erschüttert die Glaubwürdigkeit des Gegners.
2. Die Versöhnungsbereitschaft: Paulus sagt: „Wenn ihr zornig seid, dann ladet nicht Schuld auf euch ….!“ Das ist schwierig genug – denn „des Menschen Zorn tut schon gar nicht, was vor Gott recht ist.“
Es sind immer wieder neue Grenzlinien, die von uns überschritten werden. Es ist wichtig, dass wir unsere Grenzen markieren und festlegen.
Es hilft im Konfliktfall, wenn der Andere weiß, wann er die Grenze überschreitet. Jeder Mensch und jeder Christ hat ein Recht darauf, seine Grenzen zu bezeichnen und kann verlangen, dass sie respektiert werden.
Um diesen Konflikt zu stoppen, ist es entscheidend, bereit zur Versöhnung zu sein, bevor es zu spät ist: „Wenn du jemandem etwas schuldig bist, dann setz alles daran, dich noch auf dem Weg zum Gericht mit deinem Gegner zu einigen. Sonst wird er dich dem Richter übergeben, und dieser wird dich verurteilen und vom Gerichtsdiener ins Gefängnis stecken lassen.“ (Matthäus 5,25)
Versöhnung geschieht dadurch, dass man um Vergebung bittet. Ein oberflächliches „Tut mir Leid“ genügt dabei nicht. Es muss ein von Herzen kommendes „Bitte vergib mir“ sein – sonst verkommt dieser kostbare Moment zu einer bloßen Formel. Vergebung heißt auch, dass ich zugebe, wo ich falsch liege. Das sollte man möglichst konkret ausgesprochen werden. Ich öffne mich und mach mich natürlich dadurch verletzlich. Vergebung heißt auch: Ich bekenne, dass ich nicht besser bin als mein Gegenüber! Dieser Weg der Versöhnung kann lang und mühevoll sein, da er aus vielen kleinen Teilschritten besteht. Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Bevor wir andere kritisieren, angreifen, bloßstellen, sollten wir offen auf den anderen zugehen; in ein ehrliches Gespräch miteinander kommen; Vorurteile ablegen und den anderen sehen, wie er ist; neues Vertrauen gewinnen und schaffen. Sich mit und durch Jesus Christus versöhnen lassen! „Lasst die Sonne nicht untergehen, ohne dass ihr einander vergeben habt.“ Amen.