Gibt es das überhaupt? Das Gebet. Das eine und einzige (und einzig richtige) Gebet? Das Alte Testament kennt 19 und das Neue Testament 14 Ausdrücke für Gebet und Bitten. Das mag schon ein Hinweis sein, auf die unterschiedlichen Situationen in denen „das Gebet“ in der Bibel vorkommt.
Da gibt es das ganz eindringliche Bitten, im Sinne eines Forderns. Da erklingt das Anflehen (wörtlich: „Weichmachen“) und die Bußbitte: Herr, sei mir Sünder gnädig. Und über dem allen (oder nach dem allen?) leuchtet die Anbetung Gottes auf. Hier vergisst der Mensch sich selbst, seine Bedürfnisse stehen im Hintergrund und mit seinem ganzen Sein steht er lobend, staunend, bewundernd und preisend vor Gott.
Nein, eine „Lehre vom Gebet“ kennt die Bibel nicht, aber sie nimmt uns hinein in die Vielfalt des Dialogs, der Zwiesprache des Menschen mit Gott. Die Bibel erzählt von Menschen im Gespräch mit Gott: Adam, Abraham, Mose, Hiob, Jona, Hanna, Maria, Paulus, die Gemeinde in Jerusalem….
Und wir können dadurch und davon lernen. Zum „Kennen-Lernen“ laden auch die Psalmen ein. Da ist die große Spannweite der Themen: Klage- und Bitt-Psalmen einerseits und Lob- und Dank-Psalmen anderseits ermutigen, vor Gott auszusprechen, was einen bewegt. Wem die Worte zum Lob Gottes fehlen, kann mit Psalmen seinen Gedanken Worte geben. Wer in tiefer Not steckt, kann mit den Psalmen lernen, dass Klagen nicht Jammern meint. Jammern beschreibt einfach nur die Not, in der wir uns befinden oder empfinden. Zu jammern haben wir immer etwas, wir können uns darin verlieren.
Die Klagen der Psalmbeter sind etwas anderes. Sie zielen auf Veränderung. Wer klagt, hofft auf Besserung. Er möchte dass Gott eingreift und sein Geschick wendet. Auch die Klage zielt letztlich auf das Lob Gottes. Denn der Beter traut Gott zu, dass er seine Klage hört und daraufhin handelt, eingreift, rettet. Die Klage entspringt also einem großen Vertrauen auf Gott und seinen Verheißungen. Nur wer etwas von Gott erwartet, wird sich im Gebet an ihn wenden und ihm sein Herz ausschütten.
Im Neuen Testament gehören die Psalmen zu den meistzitierten Texten aus dem Alten Testament. Mit ihnen beteten die ersten Christen. Sie sind Grundlage vieler Lieder und Gebete bis heute. Somit sind sie zwar auch kein biblisches Lehrbuch des Gebetes, aber ein Gebetsbuch der Bibel, aus dem wir lernen können. Wir dürfen vor Gott sprechen und schweigen, loben und klagen, einsam oder gemeinsam reden und hören; und immer mehr entdecken, welch ein Schatz es für uns ist: DAS GEBET.