Paulus ist immer noch dabei, Titus Anweisungen zur Einsetzung von Ältesten in den Gemeinden auf Kreta zu geben. Er sagt hier: Titus, pass gut auf. Die Unehrlichkeit der Kreter ist sprichwörtlich, so dass ein kretischer Philosoph, nämlich Epimenides, schon festgehalten hat, dass Kreter Lügner, böse Tiere und faule Bäuche seien. Die Kreter, sagte Epimenides, sind chronische Lügner. Also schreibt nun Paulus: Pass auf, Titus, die Kreter leben gemäß diesem Sprichwort. Du wirst lange und geduldig suchen müssen, um die richtigen Leute zu finden, die gute Leiterpersönlichkeiten vorweisen können. Sie nehmen es mit der Wahrheit nicht so genau. Sie erzählen Geschichten und Märchen, um das zu bekommen, was sie wollen. Das erinnert mich an unsere heutige Zeit. Es sind viele Märchen und Geschichten im Umlauf, die sich geistlich anhören, aber nicht überprüfbar sind. Die meisten davon vermutlich frei erfunden und mit einem Namen versehen, der sie glaubwürdig machen soll. Manchmal noch mit dem Hinweis auf einen unbekannten Verfasser. Lügengeschichten, die dazu dienen sollen, unsere Gefühle zu erregen. Da sind also nicht nur die Kreter Lügner, auch heute wimmelt es von ihnen.
Eine zweite Zuschreibung ist „böse Tiere“ oder „wilde Tiere“. Die Kreter, so sagt auch hier wieder Epimenides, sind wie Tiere, die sich ihren Trieben leiten lassen. Was sich gut anfühlt, muss gut sein, was ihnen Schwierigkeiten und Probleme verschafft, muss böse sein. So einfach ist diese tierische Moral. Davon ließen sich die Kreter treiben. Sie lebten häufig als Piraten, führten Krieg, wenn sie zu wenig zu essen hatten, und waren immer darauf aus, ihren Sexualtrieb möglichst schnell befriedigen zu können. Wenn keine Frauen da waren, dann tat es auch der nächste Mann. Dafür waren die Kreter bekannt. Hauptsache ich fühle mich gut, Hauptsache meine menschlichen Triebe werden befriedigt, und zwar so schnell wie möglich, und dann war alles gut. Auch die dritte Zuschreibung passt gut in dieses Schema der Triebbefriedigung: Faule Bäuche. Es war nun nicht so, dass sie immer nur herumlagen und sich bedienen ließen. Aber sie suchten nach Möglichkeiten, um auch mit möglichst wenig Arbeitsaufwand ihren Hunger stillen zu können. Und nach einem erfolgreichen Krieg wurde dann exzessiv gefeiert, so dass auch diese Schlemmereien für die Kreter geradezu sprichwörtlich wurden.
Wer so lebt, sagt nun Paulus, wer es nicht fertigbringt, dieser kretischen Lebensweise zu sterben und ein eigenverantwortliches Leben als Christ zu führen, ist nicht nur ungeeignet für den Dienst in der Gemeindeleitung, sondern soll auch zurechtgewiesen werden. Und Paulus fügt noch ein Wort hinzu: Weise sie streng oder scharf zurecht. Wenn nämlich neue Kreter in die Gemeinde kommen, sollen sie sehen, dass der Glaube an den Herrn Jesus einen Unterschied macht. Dass man nicht so bleiben muss wie bisher, sondern dass es auch für Kreter die Möglichkeit eines neuen Lebens nach Gottes Maßstäben gibt. So kann sich ihr Glaube gesund entwickeln. Zugleich ist es wichtig, dass sie nicht in die Falle des Gegenteils treten: Dass sie nicht anfangen, jüdische Gesetzlichkeit anzunehmen, um sich so einzubilden, Christen zu sein. Hier ist auch heutzutage eine große Gefahr: Zahlreiche selbsternannte Lehrer kommen und wollen die Gläubigen in eine jüdisch-gesetzliche Selbstgerechtigkeit verführen. Die Gottesdienste müssten plötzlich am Samstag sein, die Feste Israels gefeiert, irgendwann kommen noch Speisegebote hinzu, und man fühlt sich immer so wunderschön den ''anderen Christen'' überlegen, die dies nicht einhalten. Titus, weise sie streng zurecht!