In meinen heutigen Gedanken möchte ich mich in erster Linie mit dem ersten Satz des Verses beschäftigen.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Gleich zu Anfang möchte ich bemerken, dass ich heute keine Lösung anbieten kann. Es gibt viele Interpretationen zu diesem Satz, doch keine die ich gefunden habe kann die Problematik wirklich gänzlich auflösen.
Die Frage ist die, ob Gott uns in Versuchung führt, wenn wir ihn nicht darum bitten, es nicht zu tun. Wir lesen eindeutig in Jak 1,13: ''Niemand sage, wenn er versucht wird, daß er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand.''
Im griechischen Urtext steht hier in beiden Stellen das selbe Wort ''peirasmon''. Dieser Begriff kann an sich zwei verschiedene Bedeutungen haben, die beide jedoch unser Problem nicht unbedingt auflösen.
Die erste Bedeutung ist ''Versuchung (zur Sünde)''. Wir finden unser Wort zum Beispiel in Mt 4,1, als Jesus in die Wüste geführt wurde, damit er vom Teufel versucht würde. Ein ähnliches Beispiel finden wir im Alten Testament im Buch Hiob, indem dieser auch von Satan versucht wurde. In keinem Fall finden wir aber ein Beispiel, in dem Gott selbst als der Versucher auftritt.
Die andere Bedeutung ist ''Prüfung (Zur Stärkung des Glaubens)''. Ein entsprechendes Beispiel mit unserem Wort finden wir in 1. Petrus 4,12+13 indem wir uns über solche Prüfungen freuen sollen, da wir dereinst Freude und Wonne haben werden. Ein alttestamentliches Beispiel hierfür ist die Geschichte mit Abraham in 1. Mose 22, als Gott Abraham versuchte, dass er seinen Sohn Isaak opfern sollte. Der Engel des Herrn unterbricht die grausige Szene im letzten Moment und Abraham opfert einen Widder. Hier sollte Abrahams Glaube getestet werden, es bestand keine Gefahr, dass etwas negatives passieren könnte.
Doch egal, für welche der beiden Bedeutungen wir uns entscheiden, Sinn ergibt beides nicht. Wenn Gott nicht versucht, müssen wir ihn nicht bitten, es zu lassen, und wenn Gott prüft, ist dies nur zur Stärkung unseres Glaubens.
Manche Ausleger versuchen sich mit der Umformulierung ''und führe uns in der Versuchung'' - doch dies steht nun einmal eindeutig nicht da. Selbst Luther kommt an dieser Hilfskrücke nicht vorbei, wenn er in seiner Auslegung des Vater Unsers schreibt: ''Gott versucht zwar niemand; aber wir bitten in diesem Gebet, dass uns Gott behüte und erhalte, damit uns der Teufel, die Welt und unser Fleisch nicht betrüge und verführe ...''
Auch der zweite Teil des Satzes klärt unser Problem nicht.
sondern erlöse uns von dem Bösen
Der Begriff ''ponäros'' ist mit ''dem Bösen'' richtig übersetzt. Es kann hier zum einen das Böse im allgemeinen gemeint sein, aber auch die Personifizierung des Bösen, Satan selbst.
Wenn Gott uns von Satan, dem Versucher befreien soll (uns von ihm erlösen), dann ist es also nicht Gott, der versucht. Warum also Gott bitten.
Ich würde mich über viele Rückmeldungen von euch freuen, wie Ihr diesen Satz versteht. Mail mir doch deine Meinung an info@daily-message.de.
Ich wünsche dir noch einen gesegneten Tag.