Oh ja, ich kann mich gut in Elia hineinversetzen. Was für ein großer Augenblick war das gewesen, dieser Sieg über die Baalspriester! Im Namen Gottes war Elia gegen die erdrückende Übermacht der Baalspropheten angetreten. Elia war der Held des Tages. Er hatte die Propheten der Königin Isebel ausgelöscht. Er hatte sie besiegt. Eine Welle der Sympathie, was für ein Augenblick. Ein Traum hatte sich für Elia in überwältigender Weise erfüllt. Nur merkwürdig: Elia war dadurch nicht gelassener, hoffnungsvoller, selbstbewusster geworden. Im Gegenteil: Er fühlt sich niedergeschlagen und enttäuscht. Nicht weil sich schnell erwies, dass auf den Beifall der Massen kein Verlass ist - das wusste er vorher. Auch nicht weil die Gegner nun mit neuer Energie den Kampf begannen. Jetzt verfolgte ihn die Königin. Aber das hatte er immer gewusst, der Kampf mit Baal war gefährlich. Nein, seine Niedergeschlagenheit lag tiefer. Der Text sagt: ''Er legte sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich den Tod. Ich bin nicht besser als meine Väter. Es ist genug, Herr, lass mich sterben!''
Vielleicht kennen wir ein ähnliches Gefühl. Vielleicht haben wir gedacht, alles einmal besser zu machen als unsere Mütter und Väter, Kinder einfühlsamer zu erziehen, mit dem Ehepartner besser und klarer zu kommunizieren, als wir das bei den Eltern beobachtet haben. Doch dann erkennen wir, dass wir die gleichen Fehler machen wie unsere Eltern. Die Kinder werden genauso verletzt wie wir verletzt worden sind.
''Ich bin nicht besser als meine Väter'' sagt Elia und legt sich schlafen. Eine große Müdigkeit ist in ihm, eine Müdigkeit nicht nur im Blick auf die übergroßen Aufgaben, die vor ihm liegen, sondern auch die Erkenntnis, dass er kein Recht hat, sich zum Richter aufzuwerfen. Und dann macht Elia eine Erfahrung, die all seine Enttäuschung und Niedergeschlagenheit wegfegt: Ein Engel des Herrn rührt ihn an und verlockt ihn zum Aufstehen. Dort wo er selbst zerbrochen ist, bringt ihm ein Engel Wasser und Brot. Er weist ihn hin auf eine Kraft, die nicht aus ihm selbst kommt. Das Brot in unserem Text ist ein Bild für etwas, was wirklich nährt und sättigt, wenn die Illusionen verflogen sind. Das Wasser löscht nicht nur den Durst, sondern ist Verheißung, dass das Leben in Elia wirklich weiterfließt. Wasser und Brot sind spirituelle Nahrung.
Das Wunder besteht darin, dass Gott niedergeschlagene, hoffnungslose, erschöpfte Menschen aufrichten und neu auf den Weg bringen kann. Den Kranken und Lebensmüden kann Gott neue Kraft geben, den Gekreuzigten macht er zum Ursprung des Lebens, der sich mit uns verbindet unter den Zeichen von Brot und Wein und uns dadurch stärkt.
Auch darin erkenne ich mich in Elia wieder. Wie auch andere, die sich abgekämpft haben im Beruf, in der Kirche, in der Politik. Nun hat man die Nase voll. Ideen, Aktionen und Kräfte verpuffen oder man wird nicht mehr gebraucht oder man wird allein gelassen. In solchen Situationen brauchen wir einen Engel, der uns anrührt und aufweckt. Zuweilen ist es ein Mensch, der uns zuhört, uns Zeit schenkt und Verständnis. Seine Freundlichkeit, sein Mitleiden wecken uns auf. Wir wissen oft nicht, woher die Engel kommen. Aus einem guten Schlaf, einem Wort, das wir lesen oder hören, aus einem schönen Sonnenuntergang. Wir können aufstehen und uns auf den Weg machen, mit neuer Kraft und Energie. Mich selbst tröstet jedenfalls die Eliageschichte in meinem Alltag, wenn mir alles zuviel wird und ich nicht mehr weiter will. Sie öffnet mir die Augen für die Engel, die mir weiterhelfen, damit ich mich auf den langen Marsch machen kann - 40 Tage und 40 Nächte durch die Wüste - das meint: ein Leben lang.