Das ist einer meiner Lieblingspsalmen. Und je öfter ich ihn bete, umso froher und beglückter macht er mich. Ich würde ihm sogar eine andere Überschrift geben. Nicht „Offenbarung der Herrlichkeit Gottes am Menschen“, sondern: „Die Würde des Menschen”. Er fängt zwar mit dem Staunen über Gottes Größe und das Wunderwerk seiner Schöpfung an, aber dann wird er zur reinen Seligkeit über den Menschen selber: Was ist der Mensch, dass Du an ihn denkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt.
Gott nimmt mich an! Er fegt meine Anonymität, die mir in der Menschenmasse übergestülpt wird, beiseite. Ich bin für ihn nicht der kleine Mann auf der Straße, nicht der XY in der Gesellschaft, und schon gar nicht ein Gegenstand, über den andere Verfügungsgewalt haben. So denkt Gott nicht; ER nicht. Er denkt an mich, an mich ganz persönlich. Für ihn bin ich nicht „man”. Selbst dann nicht, wenn ich mich so verhalte und mich selber degradiere zur Personalnummer, zum Computeretwas. Für ihn bin ich auch dann noch „nur wenig geringer als Gott”, wenn ich mich selber schände und mir die Krone der Menschenwürde vom Kopf geschlagen habe. Noch in meiner Sündigkeit, meinem Bedeckt-sein mit Schuld hält er mich hoch und noch im Versteck meiner Angst holt er mich aus dem Gebüsch, und ruft mich bei meinem Namen.
Und so handelt er an allen! Auch an denen, die sonst in der Masse untergehen, die wir untereinander abgeschrieben haben oder ausgelöscht in unserer Erinnerung. Er denkt an sie wie an einen Geliebten, eine Geliebte, die man einfach nicht vergessen kann, und hätten sie ihm auch hundertmal ihre Liebe aufgekündigt. Ja, Gott denkt an Seine Schöpfung, an jeden Einzelnen. Er kümmert sich gleichermaßen um jeden Mann, um jede Frau und um jedes Kind. Er nimmt Sich unser an. Weil Er nicht will, dass auch nur ein einziger Mensch verloren gehe. Und dieses Denken Gottes hat seinen Anfang bereits in der ersten Stunde unserer Existenz, da schon, wo sein Lebensfunke in mich und mein Werden gefallen ist: Mein ganzes Sein ist Gott nur allzu sehr bekannt. Schon im Moment meiner Zeugung galt der Psalmvers: Nur wenig geringer hast du mich gemacht als Gott! Wer dies bedacht und begriffen hat, muss zwangsläufig aktiv werden, muss sich für das Leben des (Mit-)Menschen einsetzen.
„Ich habe dich beim Namen gerufen, und nun bist du mein.” Gott offenbart sich mir, holt mich aus aller Anonymität heraus und macht mich so zur Person. Person kommt vom lateinisch „personare”, durchtönen. Dass sein Anruf an mich durchdringt, sein Widerhall in mir ist, das ist meine Würde. Anonym ist nur der Widersacher Gottes, der Teufel. Er hat keinen Namen und nimmt keinen beim Namen. An der einzigen Stelle der Schrift, da Christus nach seinem Namen fragt, antwortet der Dämon: Mein Name ist Legion. Gott von Moses nach seinem Namen gefragt antwortet anders. Ich bin, der Ich bin, der Mit-Dir. Die Ahnung allein, was dies bedeutet reicht aus, mich im Psalm 8 zum Verharren zu bringen und zum Lobpreis.
Wie gewaltig ist dein Name, schon aus dem Mund der Kinder und Säuglinge schaffst dir Lob...
Herr, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde!
Welche Botschaft wäre den Menschen dieser Zeit mit all ihrer Menschenverachtung und ihrer Zerstörung von Menschenwürde nötiger, als gerade diese?