Freude

In der letzten Zeit wurde mein Leben immer dunkler.

Weniges davon betraf mich selber, das meiste waren Probleme von oder mit Familienangehörigen oder Freunden. Aber die Verzweiflung steckte an. Und die Frage, warum Gott nichts tut, ist zwar wahrscheinlich in sich falsch gestellt, aber sie ist trotzdem da.

Ich studiere Theologie. Ich bin seit fast vier Jahren getauft. - Und verlor in letzter Zeit teilweise meinen Glauben. Ich stellte alles in Frage. Weil ich nicht mehr so fühlen konnte wie vor ein paar Jahren noch. Weil im letzten Jahr alles um mich herum zusammenzubrechen drohte. Menschen die ich mag wurden mir fremd. Ich sehe sie nicht mehr. Eine versuchte sich umzubringen. Einer versteht mich nicht mehr und wir haben schon lange nicht mehr geredet. Streß in der Familie. Alles meist nur psychische, gefühlsmäßige Belastungen. Manchmal wären mir Schläge lieber gewesen.

Da half mir ein 'in Gottes Hände legen' nicht mehr weiter. Da konnte ich nicht mehr warten, bis etwas geschieht. Ich glaube inzwischen, dass ich zu den Menschen gehöre, für die sich Erkenntnisse und Gewissheiten nur durch aktive Unternehmungen einstellen.
Ob das richtig so ist, das steht auf einem anderen Blatt. Vielleicht muß ich in meinem weiteren Leben tatsächlich noch lernen mit radikalem Gottvertrauen abzuwarten. Aber zur Zeit würde ich dann alles verlieren.
Und daher habe ich mich entschieden, etwas zu tun für meinen Gott.

Und so meldete ich mich vor ein paar Monaten zum Lektorendienst in unserer Studentengemeinde. Hier ist das alles halb so wild, Messdiener haben wir keine, das erledigen Studenten, die als Küster und Lektoren arbeiten.

Sonntag Morgen durfte ich zum zweiten Mal lesen. Und ich las Samuels Berufung im Tempel. Samuel hört Gott rufen, weiß aber nicht, wer es ist. Und trotzdem wacht er dreimal auf.

Bei uns wird auch das mit den Kommunionhelfern ein wenig entspannter gehandhabt, als ich es von meiner niederheinischen Dorfgemeinde gewohnt war, die vorsichtshalber erstmal alle zu einem Vorbereitungskurs schickt. So wurde ich dann auch noch innerhalb von Sekunden zum Kommunionhelfer ernannt und noch im Gottesdienst angelernt.

Und dann stand ich da, verteilte die Hostien und mußte schon bei der ersten breit grinsen. Ein Gefühl der Freude stieg aus meinem Bauch herauf und alles war gut. Es war ein inneres Strahlen. Eine Freude, die ich hier nichtmals beschreiben kann. Sie kam einfach so von selbst. Ein Kribbeln im Bauch. Ein Anflug von Heiterkeit. Es waren ja immer die gleichen zwei Worte - aber es wurde nicht langweilig.


Natürlich sind dadurch nicht alle Sorgen verflogen. Die Probleme bestehen weiter. Und sie sind noch genauso unangenehm wie vorher. Aber ich weiß jetzt wieder, dass es Licht gibt.


Und ich wünsche Euch allen diese große Freude. Nicht mehr aber auch kein bißchen weniger.

Tobias D. Kölling (tragophil)