In unserem Garten befand sich ein Erdbeerbeet. Im Sommer, wenn meine Mutter mich bat, auch zu ernten, war ich erstaunt, dass ihre Schüssel immer voll war. Meine leider gar nicht. Immer wieder, ich konnte es einfach nicht lassen, wanderten die Erdbeeren in meinen Mund.
Dann schaute ich zu Nachbarsfeld. Dort waren die Erdbeeren viel größer. Dessen war ich mir gewiss.
Also ging ich, wir hatten keinen Zaun dazwischen, bei der Nachbarin ernten. Mit schlechtem Gewissen. Ich habe alle Spuren verwischt, damit man es nicht merkte. Die Nachbarin meinte zu meiner Mutter, sie würde uns vertrauen. Es wäre viel zu aufwendig einen Zaun zu stellen, außerdem hätte es zwischen den Nachbarn noch nie einen gegeben.
Später, ich wohnte zur Miete, sprach ich mit meinen Nachbarn, damit die Gärten, die nebeneinanderlagen, gemeinsam genutzt werden könnten. Ich bat sie, diese doch zu öffnen. Natürlich würde das den Kindern gefallen, wenn sie von einem Garten in den anderen einfach laufen könnten. Sie hätten für die Fahrräder, für das Versteckspiel und auch noch für andere Einfälle, richtig viel Freiheit.
Ich erreichte es, dass sich zwei Nachbarinnen hin und wieder dazu überreden ließen, dass sie die Türen, die die Gärten trennten, öffneten. Die Kinder, jeder hatte welche, hatten richtig Freude daran. Dank der Kindheitserinnerung durften sie bei mir ernten, ich wollte ihnen das schlechte Gewissen ersparen.
Wieder zog ich mit den Kindern um. Auch dieses Mal lagen die Gärten nebeneinander. Es gab Kinder. Hüben, wie drüben. Der Zaun, der die Gärten voneinander trennte, war marode. Angespornt durch meine positiven Erlebnisse, schlug ich der Nachbarin vor, auch hier von der Trennung abzusehen. Gemeinsam den Kindern zu ermöglichen, miteinander zu spielen. Leider wurde der Vorschlag nicht angenommen. Man würde vertrauen, aber ein Zaun wäre besser.
Mittlerweile ist nicht nur der Zaun immer maroder (gibt es das als Steigerung ?), sondern zusätzlich werden große Büsche gepflanzt, die die Sicht versperren, den Zaun verdecken sollen, die Grenze verbreitern. Irgendwann braucht man sich nicht mehr zu grüßen, denn man sieht sich ja nicht mehr. Welch ein Erfolg.
Und dann...
Nachbarin selber steht verschämt im Garten. Der Spielball des Hundes ist bei mir im Beet verschwunden. Es ist ihr peinlich, man sieht es ihr an. Sie wusste nicht, dass ich sie sehe. Mich überkommt tiefe Traurigkeit.
Und die Kinder?
Sie setzten sich darüber hinweg. Sie lernten, die Grenzen zu umgehen. Sie spielten außerhalb der Grundstücke zusammen. Flüsterten sich durch den Zaun, hinter den Büschen, ihre Geheimnisse zu. Wenn keiner schaute, holten sie heimlich den Fußball zurück, der dummerweise durch einen Fehlschuss in Nachbarsgarten flog.
Schaffe ich vielleicht einen Ausblick, ebne ich die Zukunft?
„Denn er ist unser Friede, der aus beiden eines hat gemacht und hat abgebrochen den Zaun, der dazwischen war, indem er durch sein Fleisch wegnahm die Feindschaft,“ (Israel und die Heiden)Epheser 2.14