Paulus hat Petrus öffentlich gerügt, weil der aus Angst vor der Reaktion der Juden geheuchelt hat. Er erklärte ihm, daß er zu dem befreienden Glauben in Christus stehen muss und den gesetzlichen Juden nicht sozusagen nach dem Munde reden sollte. Sicherlich sind sowohl Juden wie Heiden alle Sünder. Aus Gesetzeswerken wird kein Mensch gerecht - weder Juden noch Heiden. Und die Juden hatten keinen Vorteil gegenüber den Heiden, auch wenn manche Juden das so sehen wollten. In Johannes 8, 37-40 steht entsprechend, wie Jesus auf ihre Einstellung reagierte: „Ich weiß wohl, dass ihr Abrahams Nachkommen seid; aber ihr sucht mich zu töten, denn mein Wort findet bei euch keinen Raum. Ich rede, was ich von meinem Vater gesehen habe; und ihr tut, was ihr von eurem Vater gehört habt. Sie antworteten und sprachen zu ihm: Abraham ist unser Vater. Spricht Jesus zu ihnen: Wenn ihr Abrahams Kinder wärt, so tätet ihr Abrahams Werke. Nun aber sucht ihr mich zu töten, einen Menschen, der ich euch die Wahrheit gesagt habe, die ich von Gott gehört habe. Das hat Abraham nicht getan“. Petrus sollte den Juden nicht das Gefühl geben, sie könnten durch ihre Traditionen und Gesetze selig werden oder aufgrund ihrer Herkunft. Petrus tat dies aus Menschenfurcht, nicht weil er es anders sah. Er war ja selbst ein Jude und fühlte sich sein Leben lang diesen Traditionen verpflichtet. Vermutlich dachte er, es schadet ja nicht wenn man sich sowohl zu Jesus als auch zur jüdischen Tradition bekennt und das miteinander vermischt!? Paulus half im sozusagen ''auf die Sprünge'', um sich nicht den Menschen anzupassen und dabei die Wahrheit (Johannes 14,6) aus falscher Rücksichtnahme zu relativieren. William McDonald schreibt hierzu in seinem Bibelkommentar: „Als Christ wusste Petrus, daß Gott keine nationalen Unterschiede mehr macht, er hatte sogar wie ein Heide gelebt und von ihren Speisen gegessen usw. Durch seine neuerliche Weigerung, mit den Heiden zu essen, sagte er praktisch, daß es für die Heiligung notwendig sei, jüdische Gesetze und Bräuche einzuhalten, und daß die heidnischen Gläubigen »wie die Juden« leben müssten.
Paulus scheint hier ironisch zu sprechen. Verriet das Verhalten des Petrus nicht eine unterschwellige Überzeugung, daß die »Juden« überlegen seien, und die »Nationen« zu verachten wären? Errettete Juden wussten, daß »Gesetzeswerke« nicht retten können. Das Gesetz verdammte jeden völlig, der es nicht vollkommen hielt. Das brachte den Fluch über alle, weil alle diese heiligen Anweisungen gebrochen haben. Der Erlöser wird uns hier als einziger Gegenstand unseres Glaubens dargestellt. Paulus erinnert Petrus, daß sogar sie selbst, die Juden zu dem Schluss gekommen seien, daß die Erlösung »nur durch den Glauben an Christus Jesus« bewirkt wird, »nicht aus Gesetzeswerken«. Welchen Sinn hatte es also, daß Petrus die Heiden wieder unter das Gesetz stellen wollte? Das Gesetz sagte den Menschen, was sie zu tun hatten, aber es gab ihnen nicht die Kraft, es auch zu befolgen. Es war gegeben worden, um Sünde aufzudecken, aber nicht zur Erlösung. Paulus und Petrus und auch andere hatten ihre Rechtfertigung in Christus gesucht, und nur in Christus. Doch handelte Petrus in Antiochien, als ob er nicht vollständig gerechtfertigt sei, sondern unter das Gesetz zurückgehen müsse, um seine Erlösung zu vervollständigen. Wenn das so wäre, dann wäre Christus kein vollkommener und ausreichender Erlöser. Wenn wir zu ihm kommen, um uns unsere Sünden vergeben zu lassen, doch dann noch zusätzlich woanders hingehen müssen, wäre dann Christus nicht »ein Diener der Sünde«, weil er seine Verheißungen nicht erfüllt hat? Wenn wir, während wir bekennen, allein durch Christus gerechtfertigt zu sein, anschließend zum Gesetz zurückgehen (welches uns ja nur als Sünder verurteilen kann), handeln wir dann wie Christen? Können wir hoffen, Christi Billigung zu erlangen, wenn wir in einer Weise handeln, die ihn praktisch zu einem »Diener der Sünde« macht? Paulus antwortet entrüstet: »Das ist ausgeschlossen.«''.
Fortsetzung morgen...