Es gibt wohl nichts Schlimmeres als einen Richter, der Urteile spricht, die gegen die Gesetze verstoßen oder seine jeweiligen Richtersprüche vom Ansehen der Person bzw. gar von Bestechungsgeldern bestimmen lässt.
Josaphat, der jüdische König damals, von dem obiger Vers ist, hatte sich zur Aufgabe gemacht, in einer weitgehend gottlos gewordenen Gesellschaft, die von schreienden Ungerechtigkeiten und sozialer Kälte gekennzeichnet war, wieder Recht und Ordnung aufzubauen. Die angestrebte Anerkennung übergeordneter Werte brauchte aber ein allseits akzeptiertes Fundament: Den Glauben an den einen wahren Gott, nämlich der die von allen akzeptierte Autorität darstellte.
Gottesfurcht - davon war Josaphat zutiefst überzeugt - ist die Grundlage für das gesellschaftliche Miteinander. Wer Gott achtet, achtet auch das Recht und wird folglich auch seinem Mitmenschen mit Achtung begegnen. Wer Gott die Ehre gibt, wird auch Gottes Geschöpfen mit Ehrerbietung gegenübertreten. Wer Gott in die Mitte stellt, wird auch Gottes Gebote und Gesetze nicht aus der Mitte verrücken.
Das oben Gesagte gilt aber nicht nur für Juristen sondern auch für uns alle und unser ganz alltägliches Miteinander. Auch die Art und Weise, wie wir uns gegenseitig beurteilen und uns gegenseitig Recht oder Unrecht tun, muss obigen Vers berücksichtigen. Unser Umgang miteinander darf nicht vom ''Ansehen der Person'' her bestimmt sein und das heißt, dass wir unser Verhalten dem anderen gegenüber nicht von Sympathie bzw. Antipathie oder von seinem sozialen Rang, oder von den Vorteilen, die wir uns von dem anderen versprechen abhängig machen sollen.
Das Evangelium räumt jedem Menschen das Recht darauf ein, dass wir ihm in der Liebe Jesu begegnen. Unabhängig davon, welcher Rasse, welchem Geschlecht, welcher sozialen Klasse, welcher Religion er angehört. Unabhängig davon, wie er sich benimmt, wie er sich kleidet und über wie viel Intelligenz, über wie viel Macht, über wie viel Geld und über wie viel Prominenz er verfügt.
Von Friedrich Bodelschwingh wird berichtet, dass er mit einem preußischen Minister über das Gelände von Bethel ging, als er plötzlich einen seiner ihm anvertrauten Bewohner betrunken und verdreckt in einem Graben liegen sah. Er ließ ohne zu Zögern den Minister stehen, kniete sich zu dem Mann nieder und half diesem auf, indem er ihn ohne Berührungsängste umarmte, stützte und in ein nahe gelegenes Haus führte. Dann kam er zu dem Minister zurück und wollte sich wieder einhaken. Der Minister war etwas pikiert und fragte: ''Haben Sie keine Angst, sich Läuse zu holen von dieser verdreckten Kreatur?'' Worauf Bodelschwingh antwortete: ''Herr Minister, nehmen Sie es mir nicht übel. Aber eine Laus von diesem von Gott geliebten Mann ist mir tausendmal lieber als einer der vielen Orden an Ihrer Brust!''
Den anderen mit den Augen Jesu sehen, das ist der einzig richtige Maßstab, an dem wir unser Verhalten dem anderen gegenüber immer wieder ausrichten und messen müssen. Das macht unser Verhalten frei von allem ''Ansehen der Person''.
Und dass ich mich an Jesu Verhalten orientiere und meinen Mitmenschen mit Respekt begegne, dafür bitte ich Gott jeden Tag aufs neue um Kraft und Mut und ganz besonders um diese Liebe zu meinen Mitmenschen.