Was ist ein Prophet?
In unserer heutigen Umgangssprache fällt einem beim Hören dieses Wortes am ehesten noch das Wort ''Unheilsprophet'' ein. Für uns sind Propheten v.a. Unheilsboten, unbequeme Mahner und Rufer. Auch die Propheten in der Bibel waren häufig von dieser Art, zumindest in langen Phasen ihrer Tätigkeit. Einer davon war Jeremia - er kündigte dem Volk Israel den Untergang und die Vertreibung in fremde Länder an, weil sie Gott nicht vertrauten, weil sie politischen Bündnissen mehr zutrauten als der Macht Gottes.
In obigen Text sehen wir jedoch, dass es gleichzeitig zu Jeremia noch andere Propheten gab, die alles andere als den Untergang prophezeiten. Diese anderen Propheten verkündigten stattdessen den Leuten das, was sie gerne hören wollten, sie verkündeten voller Zuversicht: ''Es wird euch wohlgehen!'', während Jeremia gleichzeitig vom Gericht Gottes, von Strafe und Untergang redete. Zwangsläufig musste es da Konflikt kommen zwischen diesen Glück- und Wohlstandspropheten und Jeremia, dem mahnenden und drohenden Unheilspropheten.
Wo gibt es heute Propheten? Propheten so wie Jeremia, die den Menschen Unangenehmes ins Gesicht sagen, Propheten, die auf sich selbst keine Rücksicht nehmen, die vielmehr von ihrem Auftrag verzehrt werden. Wo sind Propheten, die ganz und gar, mit Haut und Haaren, von Gottes Wort erfüllt sind, das wie Feuer ist, das wie ein Hammer ist, der Felsen zerschmeißt?
Können wir Christen Prophet sein?
Gibt es in unseren Gemeinden noch Menschen, die prophetische Gaben haben, die bereit sind, Unangenehmes zu sagen - auch, wenn es für einen selbst unangenehm wird? Möchten wir wirklich jemanden erleben, der so radikal das richtende Wort Gottes bringt wie Jeremia?
Sind uns nicht jene anderen Propheten viel sympathischer, von denen es da im Text heißt: Sie sagen denen, die des HERRN Wort verachten: Es wird euch wohlgehen -, und allen die nach ihrem verstockten Herzen wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen.
''So schlimm wird es schon nicht kommen!''
''Die Behörden sehen trotz des kleinen Störfalls keinen Grund zur Besorgnis.''
Auch heute gibt es solche Worte, auch heute gibt es solche Heilspropheten, die trotz aller Katastrophen und Gefahren beschwichtigen und Zuversicht verbreiten. Jedoch - sehnen wir uns nicht insgeheim nach solchen Worten der Hoffnung? Sind wir nicht die ganzen Unheilsprophezeiungen langsam überdrüssig geworden? Was damals Jeremia getan hat - den Menschen gesagt, dass ihr Tun schließlich ins Verderben führt - diese Aufgabe hat heute ein Stück weit die Naturwissenschaft übernommen, Physiker, Biologen, auch Soziologen und Politikwissenschaftler sagen uns schonungslos, was wir mit dieser Erde angerichtet haben: Waldsterben, Ozonloch, Treibhauseffekt, Zerstörung der Natur, Aussterben vieler Tiere und Pflanzen, ungerechte Verteilung des Reichtums auf dieser Welt, Bürgerkriege ausgelöst durch neu aufbrechende nationale Rivalitäten, Wirtschaftskrise durch fehlende Erneuerungskraft, Fachkräftemangel und gleichzeitig weitere große Arbeitslosigkeit, die Liste könnte man endlos fortsetzen.
Es bedarf heute keiner Propheten wie Jeremia, um diese Dinge zu benennen: Fast jeder kennt diese bedrängenden Dinge - doch allmählich möchte man eigentlich nicht mehr viel davon hören, stattdessen sehnen wir uns nach einer heilen Welt - und hören es mit Aufatmen, wenn endlich einmal auch eine positive Meldung in den Medien steht. Wir sehnen uns nach Propheten, die ein wenig Zuversicht verbreiten, die im ganzen Dunkel der menschheitsbedrohenden Probleme ein wenig Licht verbreiten. Wir wünschen uns, dass jemand sagt, wie jene Propheten damals zur Zeit Jeremias: Es wird euch wohlgehen - Es wird kein Unheil über euch kommen. Nun aber: Jeremia mag solche Worte nicht hören, er kämpft mit aller Entschiedenheit dagegen, er sagt: Nicht von Gott kommen die, die so reden, die falschen Propheten haben ihre Worte nicht aus dem Munde Gottes, sondern aus dem eigenen Herzen.
(Fortsetzung folgt