Die letzten Nadeln des Tannenbaums sind aus dem Teppich entfernt. Schlank und grünlos geben sich die einstigen Glanzlichter des Heiligen Abends ein trostloses Stelldichein an den Straßenrändern. Weihnachten ist vorbei, das viele Essen auch, die Geschenke sind umgetauscht, und endlich kehrt - wie war sie doch vermisst - die idyllische Ruhe wieder in unsere Häuser ein. Was uns noch eine Zeit erhalten bleibt, sind die bunt flackernden Lichterketten in den Fenstern, die sich kaum noch an Hässlichkeit und Geschmacklosigkeit übertreffen lassen - sei es im blinkenden Las-Vegas-Stil oder als leuchtende nordische Idylle, wo der Weihnachtsmann von Rentieren auf einem Schlitten aus glitzernden Lichtern gezogen wird. So sieht also das Ende von Weihnachten aus. Auch die Dekorationen in den für ein gelungenes Weihnachtsfest so wichtigen Konsumtempeln haben umgerüstet: raus die Goldsterne und der Glimmer, rein Konfetti und Luftschlangen. 0 du fröhliche, o du kurzlebige Weihnachtszeit!
Wer jetzt noch Weihnachtsmarken auf die verspätete Post klebt, lebt hinter den sieben verschneiten Bergen. Genau wie die uns in Wintersportkatalogen angebotene heimelige Idylle, die den Nikolaus im Bergdorf bis Ende Januar zur Miete und Gesellschaft beim Abendessen mit Kaminfeuer anpreist. Oder er lebt mit jenem nachweihnachtlichen Gefühl von Spekulatius und Gebäcktütchen aus Cellophan, die bis zur Fastenzeit von jenen Händen, die sie liebevoll gefertigt haben, auf den Kaffeetisch gestellt werden. 0 du fröhliche, o du kurzlebige Weihnachtszeit.
Die Musikkisten für das säuselnde Untermalen des Einkaufs in Lebensmittelläden müssen von nun an ohne „Stille Nacht'' auskommen; sie müssen umgerüstet werden. Selbst die Sternsinger werden von einigen unserer Zeitgenossen als Vorboten von St. Karneval fehlinterpretiert. So sieht also das Ende von Weihnachten aus. Da heißt es jetzt - ganz unauffällig und ungesehen von der Umgebung - noch schnell die letzten Schnäppchen machen. In der Bäckerei gibt es „alle Weihnachtsartikel zum halben Preis'', auch Weihnachtssterne sind im roten Keramiktopf für einen Spottpreis zu haben. 0 du fröhliche, o du kurzlebige Weihnachtszeit!
Und wer es ganz geschickt anpacken will, besorgt sich schon jetzt mit 75 Prozent Rabatt die Christbaumkugeln für das Fest im neuen Jahr - denn in gut elf Monaten ist es ja wieder einmal so weit.
Ja, nur noch gut elf Monate noch, dann wird sich die Botschaft vom Kind in der Krippe wiederholen, eben alle Jahre wieder. Und unsere Bäume erstrahlen in neuem Glanz, und die Krippe, die wird auch wieder aufgebaut. Die gab es übrigens dieser Tage schon zu Schleuderpreisen: ''Krippen im Ausverkauf - das Zeug muss raus'' war in großen Lettern auf einer Tafel zu lesen. 0 du fröhliche, o du kurzlebige Weihnachtszeit!
Na bravo, denke ich mir, der neugeborene Heiland, der Messias im Ausverkauf, zu Sonderkonditionen, so billig wie nie. Jesus und Weihnachten im Winterschlussverkauf - Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht.