Wir müssen nun zuerst mal festhalten, dass Jesus hier immer noch unter der „Überschrift“ spricht: „Ich kenne deine Werke“. Für Gott ist die Liebe also ein Werk, sie ist eine Tat und hat recht wenig mit Gefühlen und Ähnlichem zu tun. Wir dürfen keinesfalls das gängige philosophische System dieser Welt übernehmen, das besagt, dass Liebe von den Gefühlen abhängt. Wir werden noch sehen, wie das mitenander zusammenhängt. Wenn die Liebe wirklich nur ein Gefühl wäre, so dürfte Jesus niemandem einen Vorwurf machen, denn dann würde das nur von den biochemischen Prozessen unserer Hormone abhängen und wäre damit mehr oder minder willkürlich. Dann könnte auch niemand darauf bestehen, dass eine Liebe ein Leben lang halten kann, denn das wäre im angenommenen Fall schlichtweg unmöglich. Nein, wir wollen sehen, was Liebe wirklich ist. Jesus sagte einmal (Johannes 15, 13): Größere Liebe hat niemand als der, der sein Leben (wörtlich: seine Seele) lässt für seine Geliebten. Liebe ist somit erstens eine Tat und zweitens nach klaren Maßstäben messbar. In Johannes 14, 15 sagt Jesus zu seinen Jüngern: Wenn ihr mich liebt, so werdet ihr meine Gebote einhalten. Das Verb für „einhalten“ bedeutet umsichtiges, bewahrendes einhalten, man könnte übersetzen: „so werdet ihr darüber wachen, dass ihr meine Gebote einhaltet“. Liebe ist somit eine messbare Tat und entspricht dem Gehorsam. Wen man liebt, dem vertraut man. Und das Vertrauen zeigt sich darin, dass man seine Ratschläge oder in unserem Fall Befehle eben einhält. Wem die Befehle des anderen egal sind, der zeigt dadurch weder Respekt noch Liebe.
Nun stellt sich zwangsläufig eine Frage: Wenn sich die Liebe durch den Gehorsam zeigt, dann hat Jesus doch grad soeben in den Versen davor festgehalten, dass die Epheser Ihn lieben, da sie Seine Befehle und Worte genau bewachen und einhalten? Auf den ersten Blick erscheint das tatsächlich so. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch eines: Das Lob gilt einem sehr einseitigen Teil der Befehle Jesu. In Ephesus werden alle Befehle ernst genommen, die sich um das Bewachen, Einhalten und Kritisieren drehen. Die Gemeinde der Epheser hat sich zu Sklaven des Buchstabens gemacht. Es ging – ähnlich wie im ortodoxen Judentum - nur noch um das strikte Einhalten von Geboten, aber nicht mehr um gelebte Beziehung. Es fehlte also ein wichtiger Teil des geistlichen Lebens in der Gemeinde. Die Gemeinde hatte sich so entwickelt, doch Gottes Wille war das so nicht. Gott erwartet Gehorsam, aber Gehorsam gegen Gott gibt es nur, wo dieser aus der gelebten Beziehung mit Ihm kommt.
Auch in manchen Gemeinden von heute sehen wir ein ähnliches Problem. Viele Menschen werden nur noch zum Gehorsam erzogen, aber sie wissen nichts mehr von Gottes Liebe, die in allem, was wir tun, erfahrbar ist. Oft hören wir: Suche keine Erfahrungen mit Gott, sei einfach nur gehorsam! Das hat mit biblischem Glauben sehr wenig zu tun. Gottes Liebe ist nicht abstrakt, sie ist für jeden erfahrbar. Aber wir müssen in unseren Gemeinden dafür Raum geben. Wir brauchen Prediger und Älteste, Pastoren und Lehrer, die selbst in der Erfahrung Gottes leben und dies weitergeben können. Gott offenbart sich uns nicht nur im Verstand, sondern ganzheitlich. Auch die Gefühle dürfen und sollen von Gottes Offenbarung durchdrungen werden. Es ist ein trauriger Verdienst der griechischen Philosophie, dass man den Geist mit dem Verstand gleichsetzt. Und diese Irrlehre ist in unsere Gemeinden nicht nur eingedrungen, sondern gleichsam tief verwurzelt. Die Wahrheit ist die: Der Geist ist solange tot, bis jemand von Gott wiedergeboren wird. Das heißt ein Unbekehrter kann keine geistige oder geistliche oder wie auch immer genannte „Leistung“ erbringen. Nur bekehrte und wiedergeborene Menschen haben in Wahrheit einen lebenden Geist. Und ein toter Geist kann nichts tun, das sollte auch klar sein. Der Verstand und die Gefühle sind zusammen mit dem Willen die Seele oder das Herz des Menschen. Somit lasst uns Gott lieben mit unserem Verstand, mit unseren Gefühlen, mit unserem Willen und mit unserem Tun!