Alles hat ein Ende; auch die Schönste Sache geht einmal zu Ende, nichts dauert ewig oder hat für immer Bestand. Und davon spricht auch der Evangelist Lukas: Kein Stein wird auf dem anderen bleiben. Ihr werdet von Kriegen und Unruhen hören. Es wird Erdbeben, Hungersnöte und Seuchen geben. Man wird euch verfolgen. Will uns das Evangelium Angst einjagen, möchte man fragen? Wir haben doch sowieso schon so viele Fragen, Sorgen und Probleme, könnten wir fortfahren.
Tagtäglich stehen wir vor Problemen, stellen wir uns Fragen wie diese: „Wie wird es in meinem Leben, in dieser Welt weitergehen?“ Viele Menschen sind dahingehend pessimistisch und sagen: Es ist alles sinnlos. Sie sehen schwarz und resignieren. Und auf den ersten Blick bestätigt obiger Abschnitt diese Meinung. Und dabei übersehen wir oft, dass besagter Text des Evangelisten Lukasdoch auch einen hoffnungsvollen Ausklang hat: Unsere Gegner können uns nichts anhaben, weil uns Worte und Weisheit geschenkt werden, gegen die niemand ankommt, verspricht Jesus. „Kein Haar von eurem Haupt wird verloren gehen“, sagt er, und das heißt: „Macht euch nicht vor Angst verrückt, euch wird kein Haar gekrümmt werden.“
Es geht also nicht darum, uns Angst einzuflössen, sondern darum, dass wir das ganze Evangelium ernst nehmen, also sowohl das, was uns erschrecken lässt, als auch das, was uns hoffen lässt. So entsteht etwas in uns, was ich christlichen Realismus nennen möchte. Was aber ist christlicher Realismus?
Christlicher Realismus überwindet den Pessimismus, der den Teufel an die Wand malt. Wir sehen dann nur noch das Böse, die Verbrechen, das, was uns die Tagesschau jeden Abend zeigt. Wir überhören die Verheißungen Gottes und können keine lebendigen Zeugen Gottes sein.
Christlicher Realismus ist aber auch nicht einfach Optimismus. Optimisten nämlich sehen alles durch die rosa Brille. Sie machen sich selbst und anderen etwas vor. Sie verharmlosen. Sie reden alles schön. Sie kehren das Unangenehme unter den Teppich. Sie übersehen die Probleme und Konflikte und begnügen sich mit einem billigen Halleluja-Christentum.
Nein, Christlicher Realismus ist ein Realismus mit Hoffnung. Realismus mit Hoffnung sieht die Welt so, wie sie ist. Man weiß, dass nicht alles glatt aufgeht, dass man nicht alles in den Griff bekommen kann, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Man weiß aber auch, dass man Vertrauen haben darf, Vertrauen auf den, der sich uns zugesagt hat und mit uns geht durch alle Dunkelheiten in das helle Licht des Reiches Gottes. ''Ich bin bei euch alle Tage'', verheißt uns Jesus. Was christlicher Realismus ist, das hat beispielsweise ein Dietrich Bonhoeffer in dem Wort zum Ausdruck gebracht, welches er in der Gefängniszelle geschrieben hat:
Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.