In den Evangelien wird an vielen Stellen berichtet, wie Jesus damals den verschiedensten Menschen half. Es bewegt mich immer wieder, wenn ich davon lese. Ich denke da an einen Bericht des Evangelisten Markus. Im 7. Kapitel schildert er knapp und sachlich die Heilung eines Taubstummen. Immer wieder hat Jesus inmitten großer Volksmassen jemand geheilt. Hier jedoch sonderte er den Mann, dem er helfen sollte und wollte, von den anderen ab, holte ihn heraus aus der Menge. Vielleicht wusste Jesus in seiner Weisheit, dass er nur auf diese Weise Zugang zu diesem so schwer gestörten, behinderten und isolierten, ja möglicherweise misstrauischen Menschen finden konnte, Vielleicht begriff der Kranke nur auf diese Art: Es soll etwas mit mir geschehen! Da ist einer, der sich gerade um mich kümmert!
Immer wenn Jesus sich uns mit seiner Hilfe nähert, haben wir es ganz persönlich mit ihm zu tun, jeder ganz allein. In vielen Fällen wissen wir genau, für welche Anliegen wir uns seinen Beistand erbitten und erhoffen. Aber bei anderen Dingen wissen wir nicht, wo uns etwas fehlt. Das sieht nur unser Herr. Und dann kann es sein, dass er uns beiseite nehmen muss - vielleicht zu einem Zeitpunkt, der uns überrascht und gar nicht passt. Vielleicht in einer Weise, die wir zunächst weder verstehen noch annehmen können.
Da hat einer eine schlechte Nacht. Nach kurzer Ruhe wacht er auf und kann nicht wieder einschlafen. Er wälzt sich hin und her, wird ungeduldig und ärgerlich, wenn er an die Anforderungen des kommenden Tages denkt. Doch gerade in und mit dieser schlaflosen Nachtruhe nimmt Jesus ihn beiseite. Denn er hat etwas mit diesem Menschen vor! Er kann dasselbe bei dem jungen Mädchen tun, das beim Sport seinen Knöchel verstaucht hat und nun eine Weile still liegen muss. Sonst, in ihrem lebhaften Tagesrhythmus, fehlt dieser weite Raum, den Jesus braucht, damit er seinen Willen deutlich machen kann. Vielleicht benützt unser Herr auch eine Grippe, durch die jemand aus dem gewohnten, vielbeschäftigten Alltag herausgeholt wird. Ein anderes Mal nimmt der Heiland ein Elternpaar abseits, weg von anderen Leuten, bei denen es mit den heranwachsenden Kindern schlecht geht. Er will inmitten der Schwierigkeiten mit dem jungen Sohn mit ihnen reden, etwas wirken.
Besonders hart kann der Tod eines lieben Angehörigen treffen und einen Menschen ''beiseite nehmen'' - völlig abgesondert von den anderen Fröhlichen, Unbelasteten, die noch beisammen sind und einander haben. Wie gut, wenn dann niemand einer dunklen Bitterkeit Raum gibt, sie nicht in sich Wurzeln schlagen lässt! Wie gut, wenn wir uns nicht etwa aufs Abstellgleis geschoben fühlen, nicht von einem unbegreiflichen, unbarmherzigen Schicksal gequält - sondern wenn wir darauf vertrauen dürfen und wissen: Es ist die Hand meines Herrn! Es soll etwas mit mir geschehen! Etwas Heilsames, Gutes!
Diese Hand legte damals bei dem Taubstummen sogleich ihre Finger auf seine ''wunden Punkte'': auf die nicht hörfähigen Ohren und die unbewegliche Zunge. Jesus wollte ihm ganz deutlich machen: Hier, wo es dir fehlt, gerade hier will ich dir helfen, will ich dich in Ordnung bringen, dich ganz heil machen! Liegt es nicht nahe, daran zu denken, dass Jesus es bei uns ähnlich macht? Dass er seine Hand auf die Stellen legt, die bei uns nicht so sind, wie es gut und richtig wäre? So, wie er uns haben möchte? Jesus kann bei jedem von uns seine Hände auf wieder andere Stellen legen - nicht nur, um hier etwas schmerzhaft deutlich zu machen, ins Bewusstsein zu bringen, was nicht in Ordnung ist. Nein, er ist schon dabei, uns gerade da zu helfen, zu heilen im Vollsinn des Wortes. Das ist der helle Ausblick bei jedem Mal, wenn uns der Herr beiseite nimmt. Das ist das Ziel seines Handelns, auch wenn es zunächst schwer verständlich sein mag.